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The Hilliard Ensemble

40 Jahre Hilliard Ensemble – Episode 5 – “Miserere” – Mystische Klangräume

The Hilliard Ensemble
© ECM Records
03.12.2013
Mit Arvo Pärt tritt man, so der Pianist und Musikwissenschaftler Siegfried Mauser, in einen „mystisch-theologischen Klangraum“ ein. Der estnische Komponist führt den Hörer geduldig durch diesen Raum, bleibt hier und da stehen, hält inne, schaut und geht dann langsam weiter. Und obwohl der in den 1970er Jahren zum russisch-orthodoxen Glauben konvertierte Este sein religiöses Pathos niemals verleugnet hat, lassen sich von ihm gern auch Agnostiker und Atheisten leiten. Die spirituellen Gefilde Pärts gelten als Gegengift zum urbanen, lärmenden Leben, das den modernen Menschen plagt.
“Miserere” (1989) ist eines der radikalsten und außerordentlichsten Werke Pärts, treffen in ihm doch zwei grundverschiedene Atmosphären aufeinander, die in äußerster Spannung zueinander stehen: das Gesuch um Gnade des einsamen Menschen, der um seine Schuld und Kleinheit weiß, und der brutal einbrechende Zorn Gottes, der die Ungerechtigkeit und Sündhaftigkeit des Menschen nach christlich-jüdischem Verständnis rächen wird. Den flehenden Menschen sucht der Komponist musikalisch zu fassen, indem er einen einzelnen Sänger den vierten Bußpsalm („Gott, sei mir gnädig nach Deiner Güte“) deklamieren lässt. Nach jedem einzelnen Wort folgt eine Pause, die den geduldigen Nachvollzug des Textes erlaubt. In die Pausen flechten sich zarte Töne der Klarinette ein, die den gleichen Akkord fortwährend wiederholt.
Die später einsetzende Bassklarinette vertieft den Eindruck des Flehens noch, lässt es immer dunkler und entrückter erscheinen, bevor dann im vierten und fünften Vers des Psalms ein heftiger Paukenwirbel einsetzt, wodurch sich bereits das Dies Irae ankündigt. Trotz dieser üblichen Steigerungslogik wird die Spannung, die sich in einem dreistimmigen Proportionskanon dann fast schon kontrolliert entlädt, nicht durch das Klangvolumen erzeugt, sondern durch die zittrige Stille, die Langsamkeit und die rätselhafte Entrücktheit des Flehenden. Deshalb ist der Musik Pärts interpretativ auch nicht mit dem „Überdruck romantischen Musizierens“ (Siegfried Mauser) beizukommen, sondern eher mit geduldigem Nachvollzug – einer Tugend, die kaum jemand sonst so gut zu beherzigen weiß wie das hoch angesehene Hilliard Ensemble, dem Arvo Pärt sein Werk “Miserere” eigens gewidmet hat.
Das dem Hilliard Ensemble wie auf den Leib geschriebene Werk “Miserere” befindet sich auf dem 1991 bei ECM New Series erschienenen, gleichnamigen Album. Das Album enthält darüber hinaus noch zwei weitere Arbeiten Pärts, die sein bedeutendes Opus “Miserere” passend ergänzen: “Festina Lente” (1988/90), Dennis Russell Davies, Orchester der Beethovenhalle Bonn, sowie “Sarah Was Ninety Years Old” (1976/90).
In diesem Player hören Sie Stücke aus den Alben, die in unsere Jubiläums-Serie vorgestellt worden sind:

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