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Jessie Ware, “Tough Love”, 2014

Jessie Ware Tough Love 2014
24.07.2014
Es ist ein glühend heißer Tag am südlichen Stadtrand von London und Jessie Ware ist immer noch in Urlaubsstimmung. Sie spaziert durch ihren Garten, die nackten Zehen im Gras, und bringt hin und wieder Tee, frisches Obst und Gebäck aus Brixton aus der Küche. Sie bietet ein Stück mit viel Käse und Zucchini an. “Das habe ich nun von meinem ersten Dauerbrenneralbum”, kichert sie. “Richtige Quiche.”
Momentan befindet sich Jessies Leben in einer seltenen ruhigen Phase – aber das soll sich bald ändern. In ein paar Stunden feiert “Tough Love”, ihre erste neue Single seit zwei Jahren, Premiere als Zane Lowes heißester Song der Welt bei BBCs Radio 1. Damit wird die hektische Maschinerie in Gang gesetzt, die sie auf Trab halten wird, bis im Herbst ihr zweites Album erscheint. Und zu all den Promo-Auftritten, Konzerten und letztem Feinschliff am Album der nächsten Wochen kommt auch noch Jessies Hochzeit.
Viele von uns möchten sich vor ihrem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub verkriechen. Leidet Jessie auch an jener Angst vor der Rückkehr in die Realität?
“Nee”, lacht sie mit demselben fröhlichen Enthusiasmus, mit dem sie auch schon über ihre erste Single gesprochen hat. “Ich wollte mit der Platte fertig werden und sie endlich mit der Welt teilen. Ich habe eigentlich die ganze Zeit nur darauf hingearbeitet, dass die Leute die Songs hören können. Ich kann es nicht erwarte.”
Diese Sehnsucht danach, gehört zu werden, ist ein eher neuer Zug an Jessie. Bei ihren ersten Gesangsauftritten hielt sie sich tunlichst aus dem Rampenlicht heraus und bewegte sich als Gastsängerin auf Club-Tracks von SBTRKT und Joker eher im Hintergrund, so als wolle sie lieber nur einen Beitrag leisten, als selbst berühmt zu werden.
Doch all das änderte sich 2012, als sie ihr erstes AlbumDevotion” veröffentlichte. Es wurde ohne viel Aufsehen bei ungezwungenen Sessions mit Dave Okumu von The Invisible aufgenommen und mauserte sich zu einem der von Kritikern meistgeschätzten Alben des Jahres. Es heimste Lob von Pitchfork und der Zeitschrift Heat ein und wurde für den Mercury Prize nominiert. Dem positiven Echo schloss sich eine stetig wachsende Fanbase an, und Ware war quasi ununterbrochen auf Tour und gewann in aller Welt neue Anhänger dazu. Unter ihren neuen Fans fanden sich auch große Popstars, unter anderem Katy Perry und Taylor Swift gehören zu ihren Bewunderern. Zwei Nominierungen für die begehrten Brit Awards 2013 in den Kategorien “Breakthrough” und “British Female” bestätigen Jessies Erfolg.
Tatsächlich war es Jessies vollgepackter Terminkalender, der direkt zur Entstehung von “Tough Love” führte. Sie schrieb den Song im letzten Mai, “nach einer echt zermürbenden Zeit voller Shows, wo ich am Ende einfach gar keine Energie mehr hatte.” Ware nahm sich eine Auszeit von ein paar Wochen in New York und begann, an dem subtilen, schmerzhaften Liebeslied zu schreiben, in dem Anziehung und Liebeskummer verschwimmen.
“Für mich war es ein interessantes Jahr”, erzählt sie. “Ich habe mich verlobt, habe diese ganzen neuen Erfahrungen gemacht. Einiges davon schlägt sich auf dem Album nieder, aber ich wollte trotzdem auch das Thema des letzten Albums, unerwiderte Liebe, wiederaufgreifen. Dabei konnte ich aus vielen vergangenen Erfahrungen schöpfen und so diese Dämonen loswerden. Selbst bei Songs, von denen ich dachte, ich hätte sie mir damals einfach ausgedacht, fällt mir jetzt auf, dass sie sich sehr wohl um einen bestimmten Jungen oder eine bestimmte Zeit drehen. Das will ich alles loswerden, bevor ich dann eine glücklich verheiratete Frau bin.”
Die Produzenten des Albums sind BenZell, ein neues Produktionsduo, das sich aus dem PMR-Labelkollegen Two Inch Punch und dem Superproduzenten von Katy Perry und Ke$ha, Benny Blanco, zusammensetzt. Und wie es so Jessies Art ist, gehörten die Kollegen bald zur Familie: “Benny wurde einfach so was wie ein nerviger großer Bruder. Ich habe das Passahfest bei ihnen in Long Island gefeiert. Es war beruhigend zu sehen, wie ähnlich sich unsere Familien sind.”
Man hört die Sprünge in Produktion und Songwriting, die aus wachsender Erfahrung und einem wachsenden Team resultieren. Das Album lässt zwar die charmanten und eleganten Synthesizer und Bässe des Vorgängers “Devotion” nicht vermissen, stellt ihnen jedoch selbstbewusstere Refrains und üppigere Arrangements zur Seite. Jessies umwerfende Stimme rückt in den Vordergrund – es kommt einem immer wieder so vor, als flüstere sie einem direkt ins Ohr.
Dave Okumu und James Ford, mit denen Jessie bereits bei "Devotion" zusammengearbeitet hat, sind wieder mit an Bord, und zu ihnen gesellen sich diesmal auch bekanntere Zeitgenossen. Miguel, der sie zuvor bei ihrem Remix seines Songs “Adorn” unterstützt hatte, traf sich mit ihr zu einer Reihe von kreativen Sessions in den USA. Die Situation war kein Vergleich zu ihrem provisorischen Studio in Okumus Wohnzimmer in Lewisham – Miguel lud R-&-B-Größen dazu ein, sich ihre Songs anzuhören, J. Cole schaute auch vorbei.
“Oh Gott, an einem Abend haben Miguel und ich einen Song mit einer Whiskey-Anspielung gefeiert, indem wir ganz viel Whiskey getrunken haben. Am nächsten Morgen nahmen wir dann ‘You and I Forever’ auf, und ich hatte so einen Kater, ich konnte nur ganz leise singen. Ich hatte Wahnsinnskopfschmerzen und eine Flasche Gatorade in der Hand.”
Der Song ist einer der ehrlichsten auf dem Album, “es geht um meinen Frust darüber, dass mein Freund mir einfach keinen Heiratsantrag machen wollte. Wir haben so lange gewartet, wir waren schon ewig (forever) zusammen. Es sollte so ein Motorradsong werden, zu dem man sehnsüchtig einen langen Highway entlangfahren kann.”
Die Sessions mit Miguel förderten aber auch fantasievolle und spaßige Facetten zu Tage, die Freude am Prozess des Songschreibens und die Möglichkeit, sich spielerisch darauf einzulassen. So widmet sich das Stück “Champagne Kisses” ganz der verspielten Seite der Liebe, im Refrain sind vereinzelt Kussgeräusche zu hören.
Blanco wollte unbedingt Ed Sheeran, mit dem er vorher schon zusammengearbeitet hatte, für das Album gewinnen, aber es gab Terminschwierigkeiten. Doch eines Abends "war er zufällig zur gleichen Zeit wie ich in New York, um Saturday Night Live zu drehen, da hat es geklappt. Er kam vorbei, wir gingen zu Whole Foods, kauften ein paar Salate, fuhren zu Bennys Apartment. Er fing an, Gitarre zu spielen und ich schwöre, wir hatten den Song nach 30 Minuten fertig. Er heißt “Say You Love Me” und ich musste ihn einfach auf dem Album haben.
Jessie hat allen Grund, stolz auf das Album zu sein – doch abgesehen von der musikalischen Entwicklung zeigt es Jessie auch am Beginn einer großen Karriere, nicht als Backgroundsängerin, als Stimme eines Club-Tracks oder als nettes Mädchen – sondern als Star. “Ich kann nicht ständig rumlaufen und sagen ‘oh mein Gott, was passiert da mit mir’. Ich bin jetzt selbstbewusster und ich glaube, das hört man auch auf dem Album. Ich singe auch auf eine direktere Art. Eine Sängerin zu sein ist ein krasser Job, aber jetzt ist es auf jeden Fall meiner.”

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