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Melody Gardot – Worrisome Heart

26.03.2008
Die besten Musiker sind nicht immer diejenigen, die den meisten Lärm machen. Mit ihren gerade einmal 22 Jahren hat die Sängerin und Songschreiberin Melody Gardot bereits erkannt, wie wertvoll Subtilität und Understatement sein können. Beide Elemente tragen dazu bei, daß einem ihr Debütalbum “Worrisome Heart” (das in den USA bereits 2006 veröffentlicht wurde) einerseits irgendwie vertraut vorkommt und einen andererseits doch außerordentlich überrascht. Für Melody ist Musik etwas, das ihr dabei hilft zu entspannen, zu meditieren und in sich selbst hineinzuhorchen. “Besänftigende Musik zieht mich an, häufig Genres, die gedämpft klingen und irgendwie bescheiden sind. Musik kann wahre Wunder vollbringen, vor allem die Sorte Musik, die einen beruhigt”, meint die Sängerin. Diese musikalischen Vorlieben unterscheiden Melody Gardot von den meisten ihrer Altergenossen, die sehr viel eher dazu tendieren, Indie-Rock oder HipHop zu hören. Aber die Songs ihres Albums “Worrisome Heart” sprechen für sich selbst. Zum Beispiel das Titelstück, ein langsam dahinfließender Blues.
“Worrisome Heart” singt sie – während die Hörner und der Baß Bilder einer geruhsamen Bootsfahrt auf dem Mississippi evozieren – in einer zwischen Laszivität und Trägheit schwankenden Weise, die man einer Frau ihres Alter wirklich nicht zugetraut hätte. In dem Lied “Gone”, das von Liebesleid handelt, passen die schlichten, wehmütigen Gitarren- und Violinenlinien bestens zum traurigen Text, während eine rauchige Orgel, relaxte Hörner und ein leichtfüßig-jazziges Schlagzeugspiel “Quiet Fire” einen schimmernden Erotizismus verleihen.

Die Qualität der Texte und der Musik legt eigentlich die Vermutung nahe, daß Melody Gardot schon einen reichen künstlerischen Erfahrungsschatz besitzt. Tatsächlich begann sie aber erst vor wenigen Jahren damit richtig Musik zu machen. Sie war sechzehn Jahre alt, als sie zur Aufbesserung ihres Taschengeldes anfing in Piano-Bars zu spielen.




“Ich hätte eigentlich nicht damit gerechnet, daß ich einmal wirklich Musik machen würde”, gibt sie zu. “Ich trat an Freitagen und Samstagen auf und spielte jeweils für vier Stunden. Und ich fiel wohl ein wenig aus dem Rahmen, weil ich keine Publikumswünsche bediente, sondern nur die Musik spielte, die mir selbst gefiel, eine Mischung aus alten und neuen Sachen. Ich spielte durch die Bank alles, angefangen bei Klamotten von The Mamas & The Papas über Jazzstandards von Duke Ellington bis hin zu Songs von Radiohead.”

Dabei wäre es vielleicht auch geblieben, wenn ihr das Schicksal nicht einen üblen Streich gespielt hätte. Denn ihren tatsächlichen Karrierestart verdankt Melody Gardot einem tragischen Unfall. Als sie 19 Jahre alt war, wurde sie, als sich mit ihrem Fahrrad auf dem Nachhauseweg befand, von einem Auto erfaßt und zog sich einen mehrfachen Beckenbruch sowie Wirbelsäulen-, Nerven- und Kopfverletzungen zu. Der Unfall hat bleibende Schäden und Schmerzen hinterlassen: noch heute ist Gardot beim Gehen auf einen Stock angewiesen und muß wegen einer nervlich bedingten Lichtempfindlichkeit eine Brille mit getönten Gläsern tragen.

Da Melody Gardot sich schon vor ihrem Unfall mit Musik beschäftigt hatte, schlug ihr Arzt ihr bei einer Nachuntersuchung vor, sie solle es im Rahmen ihres Rekonvaleszenzprogrammes einmal mit Musiktherapie versuchen. Er glaubte insbesondere, daß die Musiktherapie ihr bei der Bewältigung ihrer kognitiven Probleme helfen würde. Musik kann bekanntlich nach einem schweren Trauma dabei behilflich sein geschädigte Nervenwege im Hirn wieder zu reparieren. Allerdings hätte sich Melodys Arzt wohl kaum träumen lassen wie weitreichend die Konsequenzen sein würden. Noch während sie ans Bett gefesselt war begann Melody damit eigene Songs zu schreiben und diese mit einem tragbaren Mehrspurgerät, das auf ihrem Nachttisch stand, aufzunehmen.

“Mit dem Aufnehmen begann ich, weil ich mich auf diese Weise daran erinnern konnte, was ich gemacht hatte”, erzählt Melody. “Ich hatte wirklich arge Probleme mit meinem Kurzzeitgedächtnis. Ich konnte mich abends schon nicht mehr daran erinnern, wie der Tag angefangen hatte.”

Die Songs, die sie während ihrer Rekonvaleszenz schrieb, wurden auf der 6-Track-EP “Some Lessons: The Bedroom Sessions” veröffentlicht. Ein Kritiker meinte, nachdem er die EP gehört hatte, daß es “einem alchemestischen Kunststück gleichkomme, daß solch kühne und eindrucksvolle Musik durch furchtbare Schmerzen und Ungewissheit entstehen kann.”

Neben einem Schwung neuer Stücke, die ein umwerfendender Beweis für Gardots flotte Entwicklung als Songschreiberin sind, enthält “Worrisome Heart” auch eine neue Version des Titelsongs von “Some Lessons”. Obwohl sie auf “Worrisome Heart” mit einer erweiterten Instrumentation und zusätzlichen Tonfarben aufwartet, sind die Arrangements stets darauf ausgerichtet, die delikate Intimität ihrer Stimme und Lyrics ins richtige Licht zu rücken. Begleitet wurde sie bei der Einspielung der zehn durchweg selbst verfaßten Songs von “Worrisome Heart” u.a. von Gitarrist Jef Lee Johnson (Billy Joel, George Duke, Aretha Franklin, David Sandborn), Keyboarder Joel Bryant (Aretha Franklin, Harry Connick Jr.) Und Trompeter Matt Cappy (Jill Scott, Kirk Franklin).

Melody Gardot räumt ein, nie ein fanatischer Musikkenner mit einer großen und eklektischen Plattensammlung gewesen zu sein. Dennoch weiß sie ganz genau, was sie zu tun hat, damit ihre eigenen Songs am Ende so klingen, wie sie ihr vorgeschwebt haben.

“Ich hatte recht klare Vorstellungen davon, wie die Sachen klingen sollten. Als wir ‘Worrisome Heart’ aufnahmen, sagte ich den Jungs von der Hornsection beispielsweise: ‘Könnt ihr das ein wenig dreckiger spielen?’, und sie meinten ‘Ja, dreckiger! Mann, das ist cool.’ Ich mag mich da zwar nicht gerade in der richtigen musikalischen Terminologie ausgedrückt haben, aber sie wußten genau, was ich meinte”, sagt sie lachend.

Daß sie ihre Sache wirklich gut gemacht hat, beweist schon die Tatsache, daß niemand so richtig weiß, wie er ihre Musik definieren soll. Es gab bereits Vergleiche mit Norah Jones, Diana Krall und Madeleine Peyroux (wobei letzterer sicher der treffendste ist). Aber ihre Darbietungen wecken auch Erinnerungen an Peggy Lee oder sogar Tom Waits. Auch Herbie Hancock wurde schon auf sie aufmerksam und lud sie kürzlich ein, mit ihm Joni Mitchells Klassiker “Edith And The Kingpin” für die “Live From Abbey Road”-Fernsehserie aufzunehmen.

Also, was ist ihre Musik denn nun? Ist sie Jazz? Oder Blues?

“Ich kann nachvollziehen, weshalb die Leute aus meinen Songs vor allem den Blues heraushören”, sagt Melody Gardot. “Die Akkordstrukturen sind einfacher Natur und noch in ihren dunkelsten Momenten rein. Andere meinen, meine Musik sei eigentlich Jazz. Aber wenn man es genau betrachtet, dann kommt man zu dem Schluß: Es geht vor allem ums Songwriting und die Geschichten, die die Grundlage dafür bilden. Ich habe schon eine Menge Kummer erlebt (deshalb auch der Albumtitel ‘Worrisome Heart’), und wenn man Leid am eigenen Leib so intensiv erfährt, dann fließen diese Empfindungen unvermeidlich auch in die Musik ein, die man schreibt. Wenn Leute einem bescheinigen, daß man den Blues habe, dann ist wohl genau dies gemeint. Der Blues ist kein Stil oder Genre, er ist ein Gefühl.”

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