Mirga Gražinytė-Tyla | Biografie

Biografie

»Mirga Gražinytė-Tyla leitete das Orchester mühelos … Das geschlossene und sichere CBSO folgte eng den Anweisungen einer Dirigentin, die genau wusste, was sie von Bruckner will und wie sie es bekommt.« Bachtrack über Mirga Gražinytė-Tylas letztes Konzert mit dem CBSO als dessen Musikdirektorin, Mai 2022
Seit 2016 war Mirga Gražinytė-Tyla Musikdirektorin des City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), zu Beginn der Saison 2022/23 wurde sie dessen Erste Gastdirigentin. Ihr Engagement für live aufgeführte klassische Musik in Großbritannien wurde 2019 mit dem Conductor Award der Royal Philharmonic Society gewürdigt. In der Begründung wies die Jury auf ihre hingebungsvolle Arbeit in Birmingham hin: »Sie bringt ihre eigene Vision ein, während sie eine respektvolle, für beide Seiten fruchtbare Partnerschaft mit den Musikern gestaltet …; sich mutig und voller Energie in ein riesiges, nicht alltägliches Repertoire stürzt; und die Stadt auch über den Konzertsaal hinaus in ihren Bann zieht.«
Ebenfalls 2019 unterzeichnete die litauische Dirigentin einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon. Ihr erstes Album für das Label bot die Symphonie Nr. 2 für Streichorchester und die Symphonie Nr. 21 »Kaddish« des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg. Die Aufnahme mit Gidon Kremer, dem CBSO und der Kremerata Baltica erschien zum 100. Geburtstag des Komponisten im Mai 2019. Das von Publikum und Kritikern gefeierte Album wurde von Gramophone zur Aufnahme des Jahres gewählt, für einen Grammy nominiert und trug Gražinytė-Tyla 2020 den Opus Klassik als Dirigentin des Jahres ein.
Für ihr zweites Album arbeitete sie erneut mit Kremerata Baltica zusammen, diesmal um Midsummer Song und De profundis ihrer Landsmännin Raminta Šerkšnytė einzuspielen. wurde Es wurde im November 2019 veröffentlicht, begleitet von der DVD Going for the Impossible, einem dokumentarischen Porträt von Mirga Gražinytė-Tyla.
Es folgte The British Project mit Aufnahmen des CBSO von Werken britischer Komponisten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Orchesters: Brittens Sinfonia da Requiem und die symphonische Suite aus Waltons Troilus und Cressida erschienen digital im Oktober 2020 bzw. März 2021. Das vollständige Album, auf dem diese beiden Werke eingerahmt werden von Elgars Sospiri und Vaughan Williams’ Fantasia on a Theme by Thomas Tallis kam dann digital und als CD im Juli 2021 heraus.
Mit ihrem neuesten Album, das im September 2022 erschien, setzt Gražinytė-Tyla ihre Weinberg-Mission fort, um dem zu Unrecht übergangenen Komponisten breitere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auf Weinberg: Symphonies Nos. 3 & 7 and Flute Concerto No. 1 spielt die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit dem Solisten Kirill Gerstein (Cembalo) die Symphonie Nr. 7, das CBSO führt das Flötenkonzert mit der Solistin Marie-Christine Zupancic sowie die Symphonie Nr. 3 auf.
Mirga Gražinytė-Tyla wurde in Vilnius in eine Musikerfamilie geboren. Ihr Vater, ein Chorleiter, und ihre Mutter, eine Pianistin, unterstützten ihren instinktiven Wunsch aufzutreten. Mirgas Begabung wurde durch Musikunterricht in ihrer Kindheit gefördert und weiterentwickelt. Sie studierte Chorleitung und bildende Kunst in ihrer Heimatstadt an der renommierten Nationalen Mikalojus-Konstantinas-Čiurlionis-Kunstschule und dirigierte ihr erstes Chorkonzert mit 16 Jahren.
Ein Umzug nach Österreich und ein Platz an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz eröffneten Mirga Gražinytė-Tyla die Möglichkeit, ihren musikalischen Horizont zu erweitern. Sie freute sich über die Perspektive, künftig Orchester zu leiten, und ging zum Studium an das Konservatorium in Bologna, die Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig und die Zürcher Hochschule der Künste. 2009 wurde sie vom Deutschen Dirigentenforum aufgenommen, 2011 wurde sie 2. Kapellmeisterin am Theater Heidelberg und 2012 erfolgte ihr internationaler Durchbruch, als sie den begehrten Salzburg Young Conductors Award gewann und dann mit dem Gustav Mahler Jugendorchester ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen gab. Im Jahr darauf wurde sie 1. Kapellmeisterin am Konzert Theater Bern, und von 2015 bis 2017 war sie Musikdirektorin am Salzburger Landestheater. In der Saison 2012/13 war sie Gustavo Dudamel Fellow des Los Angeles Philharmonic Orchestra, arbeitete dann zwei Spielzeiten hindurch als Assistant Conductor des Orchesters und 2016/17 als Associate Conductor.
Mirga Gražinytė-Tylas Ausnahmetalent wurde von den Musikern des CBSO bei ihrem Debüt mit dem Orchester sofort erkannt. Sie wurde erneut eingeladen, und man bot ihr in der Nachfolge von Sir Simon Rattle, Sakari Oramo und Andris Nelsons den Posten der Musikdirektorin an. Sie begann ihre Amtszeit im September 2016. Innovative Programm­gestaltung und intensive, aufschlussreiche Aufführungen wurden zum Markenzeichen ihrer Arbeit mit dem CBSO, wobei ihr Repertoire von Haydn und Mozart über Debussy, Mahler und Schostakowitsch bis zu neuen Werken von beispielsweise Hans Abrahamsen, Jörg Widman und Raminta Šerkšnytė reicht.
Zwar mussten viele Pläne des CBSO zur Feier seines 100-jährigen Bestehens aufgrund der Pandemie gestrichen werden, aber Gražinytė-Tyla leitete Anfang 2020 doch eine Reihe von Konzerten, darunter zwei ausverkaufte Aufführungen von Mahlers »Symphonie der Tausend«, und arbeitete mit ihren Musikern an Online-Darbietungen. Im Sommer 2021 gab sie mit dem Orchester ein triumphales viertes Gastspiel bei den BBC Proms. Auf dem Programm stand unter anderem die Londoner Erstaufführung von Thomas Adès’ The Exterminating Angel Symphony, eines von mehreren Werken, die das CBSO anlässlich seines Jubiläums in Auftrag gegeben hatte.
Weitere Höhepunkte der letzten Zeit waren für Gražinytė-Tyla Brittens War Requiem mit dem Gustav Mahler Jugendorchester und dem Radio-Symphonieorchester Wien zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2021; eine den Covid-Opfern gewidmete Aufführung von Faurés Requiem; konzertante Aufführungen von Janáčeks Das schlaue Füchslein mit dem CBSO in Birmingham, Dortmund, Hamburg und Paris, die zu Mirgas mit Spannung erwartetem, erfolgreichem Hausdebüt an der Bayerischen Staatsoper führten, wo sie eine Neuinszenierung dieser Oper dirigierte; sowie Europatourneen mit dem CBSO und den Solistinnen Patricia Kopatchinskaja und Gabriela Montero.
In Gražinytė-Tylas Saison 2022/23 spielt Mieczysław Weinbergs Musik eine besondere Rolle. In Birmingham dirigiert sie die erste öffentliche Aufführung seiner Jüdischen Rhapsodie (28. September) und ein Programm, auf dem auch sein Flötenkonzert Nr. 1 steht (6. Oktober). Sie geht dann mit dem CBSO und dem Cellisten Sheku Kanneh-Mason auf eine acht Konzerte umfassende USA-Tournee, die am 22. Oktober in der Carnegie Hall gipfelt. Bei den ersten beiden dieser Konzerte ist die Jüdische Rhapsodie zu hören. Im Dezember gastiert Gražinytė-Tyla erstmals bei den Münchner Philharmonikern. Auf dem Programm stehen unter anderem Weinbergs Symphonie Nr. 3 und Šerkšnytės De profundis (1. – 3. Dezember).
9/2022