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Schöner sterben: Paul McCreesh dirigiert Händels Theodora

14.02.2001
Händels Oratorien sind offensichtlich eine Sache der Engländer. Nach John Eliot Gardiner legt nun Paul McCreesh eine Oratorium-Einspielung vor – bereits seine dritte.
“Es fällt schwer, nicht von einem Superlativ in den anderen zu fallen.” Wenn selbst die Schweizer hingerissen sind, muss Besonderes zu hören sein: Wer hier lobte, war die in Zürich erscheinende “Musik & Theater” und sie sagte es über die erste Gesamteinspielung von Händels “Solomon” durch Paul McCreesh mit Gabrieli Consort und Players, die er im vergangenen Jahr seiner ebenfalls hochgelobten Aufnahme des “Messiah” folgen ließ. Gardiner hatte die Messlatte mit seinen Händel-Oratorien zwar hoch gelegt, doch McCreesh nahm sie mit Leichtigkeit. “Die erste Gesamteinspielung des Meisteroratoriums mit einer begnadeten Besetzung – stimmlich und dramatisch packend. Das Orchester glänzt wie bei Gardiner, die Chorleistung ist sogar besser.”, schrieb “Classic CD” über die “Solomon”-Aufnahme. Wie bei “Solomon” wird auch bei der jetzt neu erscheinenden “Theodora” die rein englische Solistenriege angeführt von der fantastischen Susan Gritton – Händels Arie “Angels, ever bright and fair” aus ihrem Mund und nichts erscheint leichter, als wieder an Engel zu glauben.
 
Händel galt im London von 1750 als Garant für solche Verzauberungen. Eines seiner Oratorien zu verpassen, war so schlimm wie heutzutage Karten für Domingo oder Madonna verfallen zu lassen. Händels Oratorien gehörten zu den “Musts” der feinen Gesellschaft, das galt auch für ausländische Besucher. Eine französische Reisende schilderte “das Oratorium oder fromme Konzert”: “Händel ist die Seele dieser Veranstaltungen; wenn er hereintritt, werden ihm zwei Wachskerzen vorangetragen, die auf die Orgel gestellt werden. Unter lautem Händeklatschen setzt er sich, und die ganze Musikkapelle beginnt im gleichen Augenblick zu spielen.” Als “Theodora” nach Kassenschlagern wie “Esther”, “Judas Maccabäus” oder “Solomon” zur Premiere kam, war das Publkum zunächst enttäuscht. Händel hatte einen neuen Typus des Oratoriums ausprobiert: das Märtyrer- und Heiligenstück. Das Libretto schrieb Dr. Morell, ein stets verschuldeter, schlecht gekleideter Theologe, der seinen Text nicht selten diensteifrig neben dem berühmten Händel am Klavier stehend entwarf.
 
Die Handlung spielt im frühen 4. Jahrhundert und erzählt das Martyrium von Theodora und Didymus und die Verfolgung der Christen unter römischer Herrschaft. Zum ersten und einzigen Mal ließ sich Händel darauf ein, ein Oratorium statt in biblischer in christlicher Zeit anzusiedeln. Damals galt zwar: "die Juden werden nicht kommen (wie bei “Judas Maccabäus”), weil es eine christliche Geschichte ist; und die Damen werden nicht kommen, weil es eine tugendhafte Geschichte ist", doch wer die Musik heute hört, ist gefangen von der dramatischen Durchgestaltung. Märtyrerin hin oder her, Theodora ist eine junge, selten temperamentvolle Heldin. Mit Überschwang nimmt sie in aller Frömmigkeit den Opfertod auf sich – Theodora ist keine ätherische Heilige in spe. Händel war sich dessen wohl bewusst, er schätzte sein Oratorium sehr. Mehr sogar als seine Starproduktion, den “Messiah”, mit der er für Jahrhunderte gleichgesetzt wurde, “Als ich ihn einmal fragte, ob er den großen Chor aus dem Messiah nicht als sein Meisterwerk betrachte”, berichtete der Librettist Morell, antwortete Händel: “Nein, ich halte den Chor am Ende des zweiten Teils von Theodora für weit besser.” Und schon haben die Schweizer wieder was zum Schwärmen.

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