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Mitternachtsspitze

Ulrich Tukur
© Katharina John
07.12.2010
Musiker wäre Ulrich Tukur viel lieber geworden als Schauspieler. Nun ist er zum Glück beides.

Text: Siegfried Schumacher | Foto: Katharina John

Ulrich Tukur liebt die Bühne, das Drama, die lebendigen Geschichten. Auf „Mezzanotte“, seinem Debüt bei Deutsche Grammophon, singt der Schauspielstar einige der schönsten davon – auf Englisch, Italienisch, Französisch und Deutsch.

Früher, ja, damals, also in den guten, alten Zeiten, um die es hier hauptsächlich geht, gehörte es zum Handwerk eines Schauspielers, zum guten Ton sozusagen, dass er singt. Hans Albers und Heinz Rühmann taten es, Hildegard und Marlene, und natürlich Marilyn, Sophia und Liza, nicht zuletzt Peter Sellers und Anthony Perkins. Auch Ulrich Tukur gehört in diese universell unterhaltsame Riege. Der Charakterdarsteller aus Viernheim mit Wohnsitz in Venedig ist vor allem aus dem Kino und Fernsehen bekannt, etwa als Stasi-Leutnant aus „Das Leben der Anderen“ oder als hessischer Tatort-Kommissar. Seine erste Liebe jedoch galt der Musik, sie war sogar das, was ihn schließlich ins Theater und Filmstudio brachte. „Schauspielerei hat mich nie interessiert“, sagt der 54-Jährige. „Ich war ja nie im Theater. Außer einmal im ‚Freischütz‘ im Stadttheater Freiburg – was mich als Kind sehr beindruckt hat. Über den Klavier­unterricht habe ich später Boogie Woogie entdeckt und durch die alten 78er meiner Tante die Schlager der 30er und 40er, wie die ‚Mondnacht auf Kuba‘ zum Beispiel.“ Für derartigen „Schleim und Schlagerjazz“ reichte Tukur zu Universitätszeiten in Tübingen mit einem Kommilitonen aus dem Germanistik­se­minar in der Fußgängerzone den Hut herum. Und auch wenn ihn sein weiterer Weg nahezu direkt in eine Theateraufführung mit Dominique Horwitz, zum Schauspielstudium nach Stutt­gart und auf die großen Bühnen führte, die Liebe zu den alten Schellackliedern blieb.

Nach etlichen Alben und Touren mit seinen Rhythmus Boys gibt Ulrich Tukur nun seinen Einstand bei Deutsche Grammophon. Dafür stieg er nicht nur tief hinab in sein 2000 Titel starkes Schallarchiv, um eher abwegige Schlager-Schätze von Chan­­son über Canzone bis zu Liedern und Songs zu heben, er engagierte auch den Pianisten und Arrangeur Lutz Krajenski, der den alten Liedern neue musikalische Wendungen schreiben durfte. Gemeinsam mit diesem Ausnahmemusiker, der sonst auch die Bigband von Roger Cicero leitet, und seinem hochkarätig besetzten Orchester, brachte Ulrich Tukur das Programm um den letzten Jahreswechsel herum auf die Bühne und ins Aufnahmestudio. Auf „Mezzanotte“ finden sich neben den vielen schönen und auch schaurigen Nachtgeschichten von Coco Schumann, Domenico Modugno oder Friedrich Hollaender, allerdings auch Eigenkompositionen im eleganten Stil der Vorkriegszeit. „Die Großstadt träumt“, ein besinnliches „Stück post-expressionistischer Großstadtlyrik im Stile von Mascha Kaléko“, ist ein Gemeinschaftswerk von Tukur und Krajenski, die englisch gesungene Moritat des blutrünstigen Schlach­ters „Willy Williams“ stammt von Tukur allein. „Ich hab eine Stimme, die trägt sehr gut“, sagt er. „Das muss dir zur Natur werden, dass du auf der Bühne immer ein bisschen mehr Druck gibst. Vor der Kamera muss man dann alles wieder zurücknehmen. Und beim Gesang im Aufnahmestudio? Meine Stimme ist sicher nicht unbegrenzt. Ich kann zum Beispiel nicht mit ­einer Bigband singen. Leider nicht. Aber diese frechen, vielschichtigen und Geschichten erzählenden Chanson¿s und Kabinettstückchen aus der Zeit vor und während der Weimarer ­Republik, die stehen ihr ganz gut.“

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