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Farinelli in Spanien – “El Maestro Farinelli” von Pablo Heras-Casado und Concerto Köln

Pablo Heras-Casado
15.05.2014
Farinelli – dieser Name steht für den Gipfel barocker Gesangskunst. Zugleich lässt er uns erschaudern: Die sagenumwobenen stimmlichen Fähigkeiten dieses Sängers beruhten auf einer im Knabenalter vorgenommenen Kastration, einer heiklen Operation, die neben anderen gravierenden Folgen das Ausbleiben des Stimmbruchs bedingt und seit Anfang des 20. Jahrhunderts als “ästhetischer Eingriff” verboten ist.
Nun möchte Pablo Heras-Casado mit seiner ersten Aufnahme für Archiv Produktion eine weniger bekannte Seite Farinellis zeigen. Der spanische Dirigent zählt zu den aufregendsten jungen Talenten auf den internationalen Konzertpodien. Alte Musik gehört bereits seit 20 Jahren zu seinen bevorzugten Betätigungsfeldern und Heras-Casado fungierte als Mitbegründer der Compañía Teatro del Principe, eines Ensembles zur Wiederbelebung der spanischen Operntradition, die unter König Ferdinand VI. eine Hochphase erlebte.

Farinelli als Impresario

Maßgeblichen Anteil an der Blütezeit des spanischen Musiklebens im Barock hatte Farinelli. Der berühmteste Sänger Europas kam 1737 auf Einladung der spanischen Königin nach Madrid, wo man hoffte, sein Gesang könne die schweren Depressionen von Philip V. heilen. Farinelli beendete seine aktive Bühnenkarriere, um fortan allabendlich Arien, darunter Johann Adolf Hasses “Pallido e Sole” und “Per Questo Dolce Amplesso”, für seinen neuen Gönner zu singen.
Das musikbegeisterte Königspaar Ferdinand VI. und Maria Barbara von Portugal machte Farinelli nach Philips Tod 1746 zum Impresario des königlichen Unterhaltungsbetriebs und stattete ihn mit umfassenden Befugnissen und großzügigen finanziellen Mitteln aus. In den zehn Jahren, in denen Farinelli für die höfischen Bühnenspektakel verantwortlich zeichnete – in enger Zusammenarbeit mit dem Librettisten Pietro Metastasio (beide bezeichneten einander als caro gemello, “liebster Zwillingsbruder”) –, entstand ein ganz neues musikalisches Klima.
Keine Kosten wurden gescheut, vom Import ungarischer Pferde bis zur Umleitung des Flusses Tajo in Aranjuez war alles möglich, wollte die königliche Familie doch auch eine Wassermusik genießen, die der Händels in London gleichkam. Als Sänger hatte Farinelli schon lange mit neapolitanischen Komponisten zusammengearbeitet. Als Impresario holte er dann viele Musiker aus Neapel nach Spanien. Innerhalb einer Dekade erlöste Farinelli die spanische Musik aus ihrem Provinzdasein und eroberte ihr einen Platz im europäischen Mainstream.

Spanien im europäischen Konzert

Auf ihrem Album “El Maestro Farinelli” zeigen Pablo Heras-Casado und Concerto Köln das breite Spektrum der Musikszene zu Farinellis Zeiten anhand von Orchesterwerken italienischer, spanischer und deutscher Komponisten. In ihrer Auswahl vertreten sind Nicola Porpora, Farinellis einstiger Lehrer und einer der bedeutendsten Komponisten von Kastraten-Arien, José de Nebra, Urheber der Hochzeitsmusik für Ferdinand VI. und Maria Barbara, Johann Adolf Hasse, der regelmäßig mit Metastasio zusammenarbeitete und zu Farinellis Lieblingskomponisten zählte, Tommaso Traetta, wie Farinelli ein Schüler Porporas, Carl Philipp Emanuel Bach, dessen “Fandango”-Sinfonia ein Beleg für das Vordringen spanischer Tanzmusik bis zum preußischen Hof ist, und schließlich Nicola Conforto, der nach seiner Einladung an den spanischen Hof nie mehr in seine Heimatstadt Neapel zurückkehrte und ein ganz und gar spanischer Komponist wurde.

Sehen Sie hier die Dokumentation zu “El Maestro Farinelli” auf Pablo Heras-Casaso.

Gastauftritt von Bejun Mehta

Unvollständig wäre dieses Album ohne den Balsam, mit dem Farinelli die Melancholie Philips V. zu lindern suchte – Porporas Arie “Alto Giove” war eines der Stücke, die bei jenen Musikabenden zu hören waren. Countertenor Bejun Mehta spürt hier dem Ton Farinellis nach, der ganz anders geklungen haben muss als alles, was wir heute kennen. Der Komponist Johann Joachim Quantz schilderte den Gesang des 21-jährigen Kastraten folgendermaßen: “Farinello hatte eine durchdringende, völlige, dicke, helle und egale [= gleichmäßige] Sopranstimme … seine Intonation war rein, sein Trillo schön, seine Brust, im Aushalten des Atems, außerordentlich stark, und seine Kehle sehr geläufig, sodass er die weit entlegensten Intervalle geschwind und mit der größten Leichtigkeit herausbrachte.”

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