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Yvonne Catterfeld “Lieber so”, 2013

Yvonne Catterfeld 2014
14.10.2013
“Lieber Stier als Bambi” oder “Warum wir keinen Tintenkiller benutzen sollten”
 
“Wie wird denn nun dein neues Album?” – “Anders.”
“Lass doch mal was hören!” – “Nein. Erst wenn’s fertig ist.”
Fast zwei Jahre ging das so, bis es vor ein paar Wochen endlich soweit sein sollte. Nun, gut. Sofa, Boxen auf laut, Rotwein, Handy aus, Ohren auf und los geht’s
 
1. Song: Pendel
Aha…! Klavier, Percussion… gefällt mir, gefällt mir… guter Rhythmus. So und jetzt der Gesang… Hm?!! Und wer ist DAS?
Ich habe sie nicht erkannt. Ungläubig schreckte ich aus meiner um Seriosität bemühten Konzentrationshaltung hervor und schaute ungläubig in Richtung Freundin. Wenig überrascht lächelte sie mir zu und zuckte arglos mit den Schultern: “Ich sag' doch, es ist anders.”
Yvonne Catterfeld gehört zu den mir nahestehenden Menschen. Das macht es unmöglich, objektiv über ihr Schaffen zu schreiben oder gar urteilen zu können. Vor allem nicht in diesem Moment, wo sie im Nebenzimmer am Klavier sitzt und einen Titel für kommende Live-Auftritte einübt. Dennoch ringe ich mit mir und den richtigen Worten.
Über ein Jahrzehnt konnte man an Yvonne Catterfelds künstlerischer Entwicklung teilhaben. Sie durfte zeigen, wie und mit was man – zu dieser Zeit – eine dreiviertel Millionen Tonträger verkaufen konnte; wie man sich zu präsentieren hatte, was man getan haben sollte, um auf massenkompatible Art und Weise kommerziell erfolgreich zu sein. Dann änderte sie ihren Stil. Für sie war es an der Zeit.
Anstatt sich zu verbiegen und unter Preis zu verkaufen, feilte sie lieber weiter an ihrem Talent, auch wenn sie damit bewusst das Risiko einging, dem “lauten Erfolg” die kalte Schulter zu zeigen. Nach Auszeichnungen wie dem Echo, mehrfach Gold und Platin, den Mut aufzubringen und wie bei ihrem letzten Album “Blau im Blau” auf kleine Arrangements, leise Töne und poetische Sprache zu setzen und sich mit so einem Paket dem verjazzten Chanson zu widmen, war in ihrer Position eine bewundernswerte, weil mutige Entscheidung. Aber vor allem symbolisierte es einen Meilenstein auf dem Weg, sich von einer talentierten Interpretin zu einer authentischen Künstlerin zu entwickeln.
Da dieser Schlag an Kreativen genau weiß, dass er früher oder später sein Ziel erreichen wird, kann man in wenigen Wochen Yvonne Catterfelds sechstes Studio-Album in Händen halten, das sich bezeichnender Weise den Titel “Lieber so” gegeben hat.
Lieber so” soll hier wohl lieber kratzig als schnörkelig, lieber lächelnde Melancholie als knietiefes Tränental bedeuten. Lieber Stier als Bambi. Kein Image, kein Anbiedern. Hier wird unverblümt gearbeitet. Ungeschminkt und ehrlich. Wobei es trotz dem beinhalteten Schmerz, der Auseinandersetzung mit sich, seinen Beziehungen und dem Leben als solches, nie unangenehm, kitschig oder gefühlsduselig zu werden droht. Wenn die Authentizität nämlich die Feder führt, geht kein Wort zu weit. Der treibende Rhythmus, der auch in den ruhigeren Titeln nie die Spannung verliert, beweist sich hier als unersetzliches Werkzeug. 
Ihr Erkenntnisstand über das Leben, ihre Erfahrungen, aber vor allem ihre “neue” Stimme verheiraten die Texte mit der Musik auf erfrischende, direkte und kluge Art und Weise. Sinnlos und lückenhaft, an dieser Stelle auf einzelne Titel einzugehen. Die Gesamtheit des Albums wird zu einem eigenen, homogenen Stil, der es den Kritiker schwer machen wird, zielsicher die heißgeliebte Schublade mit dem Aufdruck “Das klingt wie…” zu finden. Die Genrefrage könnte sich zum Diskussionsthema entpuppen. Am Ende soll sich der Hörer selbst ein Bild davon machen.
Das Album durchtanzen, sich berühren lassen, wieder dem Fluss des Lebens bewusst werden und sich die Ruhe nehmen, über ein paar Dinge nachzudenken.  Ich weiß noch, wie wir früher in der Grundschule keinen Tintenkiller benutzen durften. Weil die Killer-Chemie nicht nur die Tinte verschwinden ließ, sondern auch das Papier aufraute. Wenn man zu viel Druck ausübte, gab es sogar Löcher. Die neue Schrift darüber verschmierte meist, sah aber zumindest unschön aus. Danach konnte jeder erkennen, dass da vorher was stand, was der Verfasser lieber unsichtbar machen wollte. Bei Yvonne Catterfekd ist das anders. Sie will nichts durchstreichen, sie schreibt einfach daneben. “Lieber so” – Ohne Druck, dafür mit einem Augenzwinkern. “Lieber so” ist ihre neue Handschrift.
“Und wie findest du’s?”, fragte sie mich. “Ja, gut…”, sagte ich und nahm einen großen Schluck Rotwein.
 
Schauspieler, Autor, Freund,
Oliver Wnuk

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